Am Ende wird es tierisch. In der zur Theaterbühne umgebauten Turnhalle der Grundschule Vlotho auf dem Bonneberg fauchen und zischen die zwölf Kinder des Sprachcamps.
Der Löwin, die er liebt, hätte der Löwe so gerne einen Brief geschrieben. Doch leider kann er nicht schreiben. Deshalb ruft der Löwe, der in seinem echten Kinderleben Dimitri heißt, andere Tiere herbei, die ihm einen reizenden Text verfassen sollen. Nilpferde, Affen und auch Mistkäfer lassen sich nicht lange bitten. Einem Löwen schlägt man keine Bitte ab.
Sie schreiben allerdings, was ihnen in den Sinn kommt: „Liebste Freundin, wollen Sie mit mir ein Stück von der Giraffe essen“, heißt es da zum Beispiel. Noch besser ist der Geier: „Wir können über den Dschungel fliegen. Ich habe auch Aas. Total lecker! Gruß Löwe“. Ob der Löwe so jemals mit der Löwin zusammenkommt?
Spielerisch die deutsche Sprache vermitteln
Zeitgleich finden auch in Herford und in Enger Sprachcamps statt. Insgesamt nehmen 75 Kinder teil, die mit Ende der Sommerferien eingeschult werden oder bereits die erste Klasse besuchen.
„Ziel ist es, auf spielerische Weise die deutsche Sprache zu vermitteln. Wir entwickeln mit den Kindern ein Theaterstück, dabei helfen uns Sprach- und Lauschspiele, Reime, Bilderrätsel und Zungenbrecher. Eben alles, was die Kinder unterstützt, lesen und auch schreiben zu lernen,“ erklärt der Theaterpädagoge Sven Werneke und Leiter des Camps in Herford.
Über das Theaterspielen stärken die Kinder ihr Selbstwertgefühl und ihr Selbstbewusstsein. Sie üben, gemeinsam etwas zu schaffen. „Ein sehr wichtiges und verbindendes Element im Sprachcamp ist es, ein Theaterstück zu erarbeiten“, sagt Christina Altenbernd. „Die Kinder lernen so, sich auf verschiedene Weisen über den Körper, aber eben auch mit Sprache, auszudrücken und erfahren auf der Bühne, wie Worte und Gesten beim Publikum wirken. Die Bühnenerfahrung stärkt die Kinder.“
Kita & Co und AWO veranstalten die Camps
Veranstalter der zehntägigen Camps sind der Bezirksverband Ostwestfalen-Lippe der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und Kita & Co. Die AWO führt bereits seit acht Jahren Sprachcamps in OWL für ältere Grundschulkinder durch, seit 2012 nun auch für Einschulkinder und Erstklässler im Kreis Herford. Die Anregung dazu kam von Kita & Co. An der Finanzierung beteiligt sich auch das Landesjugendamt, 15 Prozent fließen über Kita & Co, die Eltern zahlen 10 Euro für die zehn Tage.
Für die meisten der Camp-Kinder ist Deutsch nicht die Muttersprache, einige von ihnen leben sogar erst wenige Wochen in Deutschland. In den knapp zwei Wochen machen sie erhebliche Fortschritte. Dafür sorgt eine sehr intensive Betreuung.
Theater-, Sprach- und Freizeitpädagogen arbeiten Hand in Hand
In Enger kommen sieben Fachkräfte auf 19 Kinder. Das ist ein sehr guter Schlüssel. Auch in den anderen beiden Camps ist das Verhältnis zwischen Theater-, Sprach- und Freizeitpädagogen und Kindern so gut, dass effizient und intensiv gearbeitet werden kann. Immer wieder versammeln die Teamerinnen und Teamer die Kinder in Kleingruppen. Auch werden einzelne Kinder betreut, wenn es nötig ist.
Die multiprofessionellen Teams handeln Hand in Hand. So bereiten beispielsweise die Sprachpädagogen das Theaterstück mit vor, indem sie Texte mit den Kindern entwickeln und einüben. In Herford führen sie bei der Abschlusspräsentation auf der Bühne zudem kleine Interviews zum Camp durch.
Die Freizeitpädagogen wiederum schaffen einen positiven Rahmen. Sie organisieren den Tagesausflug, zum Löwenthema passend in den Tierpark Olderdissen in Bielefeld. Sie gestalten den Spielenachmittag und das Freispielen, sie üben Rituale und Lieder ein. Freizeit, das heißt auch Basteln mit den Kindern. Vieles machen Teamer und Kinder selber, nur wenig wird gekauft. So seien die Kinder am Prozess beteiligt, berichtet Luba Maier, die die Sprachcamps für die AWO koordiniert.
Alle drei Sprachcamps arbeiten nicht nur in ihren Teams miteinander, sie sind auch untereinander vernetzt. So hat das Leitungsteam, das sich bereits Monate zuvor getroffen hat, entschieden, in diesem Jahr das Kinderbuch „Die Geschichte vom Löwen, der nicht schreiben konnte“ zum Dreh- und Angelpunkt der Sprachcamps zu machen. Und selbst während der zwei Wochen stehen die Pädagogen über das Internet in Verbindung, tauschen Texte, Anleitungen und Erfahrungen aus.
Sprachcamps weisen in die Zukunft
Die Camps weisen bereits über die Kitas hinaus. Die Kinder knüpfen neue Kontakte, gewinnen neue Freunde. Die Einschulkinder lernen neue Verhaltensweisen und Regeln. Sie lernen bereits eine Schule und ihren Rhythmus kennen. „Der Übergang von der Kita in die Grundschule wird so leichter. Die Kinder lernen nicht nur das Gebäude kennen, sondern auch die Personen. Eine Erzieherin des Offenen Ganztags macht bereits im Sprachcamp mit. Sie ist schon präsent und dient den Kindern beim Schulstart als Ansprechpartnerin“, freut sich Ussama-Christian Absi, Leiter der Grundschule Belke- Steinbeck in Enger. „Wir wünschen uns so etwas für alle Einschulkinder“.
Zum Schluss erhalten alle Kinder ein Zertifikat, in dem schwarz auf weiß zu lesen ist, dass sie nun „bärenstark“ sind. Der Bär ist das Camp-Maskottchen, er begleitet die Camps seit Anfang an. Als Zugabe erhalten alle Kinder das Löwen-Kinderbuch. Das ist der Stoff, aus dem Geschichten in den ersten Schultagen gestrickt werden.