Sein Vortag war Teil eines Fachtages von Kita & Co zum Thema Partizipation. Die Peter Gläsel Stiftung ist Träger der Kita Pöppenteich im Detmolder Stadtteil Heidenoldendorf. Über dem Leben in der Einrichtung, die insgesamt 70 Kinder besuchen, steht ein leitender Gedanke: Die Kinder entscheiden mit in allen wesentlichen Fragen, die sie betreffen. „Die Kinder zeigen uns den Weg“, sagt Stefan Wolf.
Dem gegenüber stehen Ängste. Eltern sind besorgt, dass ihre Kinder nur noch den Nachtisch essen oder krank werden, weil sie dafür entscheiden, viel zu dünne Kleidung anzuziehen. Erzieherinnen sind besorgt, weil sie sich für das Wohl der Kinder verantwortlich fühlen oder weil sie Chaos fürchten, wenn die Kinder mehr entscheiden können.
„Würden sie im November ein Picknick veranstalten und angeln gehen“, fragt Stefan Wolf die rund 40 Fachkräfte, die der Einladung von Kita & Co zu dem Fachtag gefolgt sind. Die Antwort gibt er selbst: „Wahrscheinlich nicht“. Doch genau dies war die Idee der Kinder der Kita Pöppenteich. Es waren die Kinder, die die Idee maßgeblich umsetzten. Sie überlegten sich vorab, wie ein Picknick mit den Eltern und Fachkräften in der kühlen Jahreszeit aussehen könnte. Sitzen auf dem kalten Boden: unmöglich. Also entwickelte sich ein Stehimbiss. „Und die Kinder entwickelten ein Angelspiel, das die Eltern so toll fanden, dass vor allem sie es waren, die an dem Nachmittag damit spielten“. Kurz gesagt: Die Kinder fanden Lösungen für die Umweltbedingungen, sie meisterten mit Kreativität und Fantasie die Herausforderung so, dass es für alle ein besonderes Ereignis wurde, „eine qualitativ hochwertige Zeit“, wie Stefan Wolf berichtet.
Stefan Wolf weiß, das Partizipation nach Arbeit klingt. Wer sich kommunikativ öffnet, Schranken und Hierarchien abbaut, begibt sich in Prozesse, in denen Ideen, Interessen und Befindlichkeiten ausgehandelt werden müssen. Das kann dauern, ist manchmal anstrengend und niemand weiß, was am Ende herauskommt.
Der Diplom-Theologe erinnert sich an seine eigene Kindheit und sieht Tante Erika vor sich. Sie war eine Erzieherin in der Kindertageseinrichtung seiner Kindheit. Und obwohl er als Junge Lederhosen trug, die Hosen hatte Tante Erika an. Sie sagte den Kindern, wo es lang ging, was sie durften, machten sollten und was nicht. „Heute hingegen frage mich öfters: Wer verwirklicht sich in einer Kita eigentlich? Da vereinen sich manchmal Landlust und Schöner Wohnen in Ausstattung. Aber wie sähe es dort eigentlich aus, wenn die Kinder ihrer Kreativität freien Lauf lassen könnten“, fragt er.
Die Kinder in den Mittelpunkt zu stellen, ist erfolgreiches Konzept der Kita. Die Warteliste ist so lang, dass sich damit eine zweite Kita in Detmold eröffnen ließe. Als die Stiftung die Kita 2008 von einer Elterninitiative übernahm, machte sie sich auf den Weg, Beteiligung konsequent umzusetzen. Ein nachlesbares Ergebnis ist eine Verfassung, die das Team der Kita formuliert hat. Daran sind auch die Beteiligungsstrukturen fixiert, Kinderparlament, Kinderkonferenzen und Morgenkreis inklusive. „Die Strukturen, die wir aufgezeichnet haben, sind letztlich aber nur Hilfskonstruktionen für die Mitarbeitenden“, sagt er.
Nur wer die Kinder ernst nehme, ihre kreativen Möglichkeiten fördere oder auch ihre Fähigkeit, miteinander zu kooperieren, unterstütze, bekomme eine Generation, die den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen sei. „Wir brauchen kreative Köpfe. Wir sagen auch nicht: wir bereiten auf die Schule vor. Wir sagen: Wir bereiten auf das Leben vor“.
Der Weg vom Kopf übers Herz zur Hand sei der weiteste Weg, den ein Mensch zurücklegen kann, sagt Stefan Wolf. „Heute sind wir eine Kindertageseinrichtung, zuvor waren wie eine Elterntageseinrichtung“. Freiheit spiele sich dabei in einem sorgfältig abgesteckten Rahmen statt. Diese Spielfläche muss immer wieder neu verhandelt werden. Doch die Kinder lieben sie und fühlen sie pudelwohl auf ihr.
Für Malte Mienert, Professor für Psychologie, klingt das wie Musik in seinen Ohren. Er betonte bei dem Kita & Co-Fachtag, dass inzwischen alle Bundesländer den Grundgedanken verankert hätten, Kinder bereits in der Kita mitentscheiden zu lassen. Dies findet sich so auch im Kinderbildungsgesetz in Nordrhein-Westfalen. „Letztlich steht und und fällt ein solcher Grundsatz aber mit den Erzieherinnen in der Einrichtung“, sagt er. Von autoritär bis kooperativ bewegen sich die Stile, mit denen die Fachkräfte mit den Kindern umgehen. Häufig sei noch ein matriarchaler Ton vorherrschend. „Das läuft dann nach dem Prinzip: Wir sind eine Familie, aber einer muss hier entscheiden, zum Wohle aller“.
Teil es Fachtages war auch eine Kinderkonferenz. Ein Teil der anwesenden Fachkräfte schlüpfte dabei in die Rolle von Kindern. Die sagten, was ihnen alles nicht passt, anschließend verhandelten die Kinder, ob dies für mehrere von ihnen zutrifft und was sich ändern muss.
Am Ende des Fachtages machten die Teilnehmenden deutlich, dass sie an der Partizipation dran bleiben wollen. Besonderes Interesse an Methoden wie etwa der Kinderkonferenz wurde deutlich. Der Bedarf an weiterer Fort- und Weiterbildung und am Austausch besteht.